Wikipedia in der Krise
Die österreichische Tageszeitung Der Standard
titelt in seiner Online-Ausgabe Wikipedia in der Imagekrise - Online-Lexikon verliert engagierte Autoren - Umgangston innerhalb der Community wurde zunehmend rauer
. Und damit trifft der Autor den Nagel auf den Kopf ...
Bereits vor gut zwei Wochen habe ich diese Thematik im Kommentar Wikipedia und die Fleischerei behandelt. Es ging um einen Artikel über eine Fleischerei in Südafrika, dessen Relevanz angezweifelt wurde. Während in der englischsprachigen Wikipedia der Artikel nach einer ellenlangen Diskussion bleiben dürfte, wurde er im deutschen Ableger schlussendlich gelöscht. Das ganze war natürlich nur ein Einzelfall.
Debatten über Formalitäten, unfreundlicher Umgang, sogenannte Edit-Wars(Bearbeitungskriege
), Vernichtung von Artikel mit dem Argument der Irrelevanz sind an der Tagesordnung. Das alles führt zu einem schlechten Klima, einem schlechten Image und Frust.
Autoren verlassen Wikipedia
Wikipedias wertvollstes Gut sind die zahlreichen Mitarbeiter. Allerdings steigen immer mehr Autoren aus dem Projekt aus. Bisher konnte man das vor allem in einschlägigen Foren und etwa in Diskussionen bei Heise lesen.
Jetzt gibt es auch statistisches Material, das den Abgang von Wikipedia-Autoren zeigt - zumindest lässt es sich so interpretieren. Die Daten wurden durch eine Logfile-Analyse vom Benutzer Dragons flight
erhoben. Dafür wurde eine Stichprobe von fast 119000 Artikeln (entspricht etwa 6%) aus der englischsprachigen Wikipedia genommen. Die folgenden Graphiken wurden von Robert A. Rohde (a.k.a. Dragons flight) veröffentlicht:
Die Anzahl der Artikel-Bearbeitungen von registrierten Benutzern sowie der Artikel-Bearbeitungen total ist gesunken. Hier könnte man noch argumentieren, es gäbe halt nichts mehr zu schreiben. Kommentare der Art ich könnte genug beitragen, habe aber keine Lust
gab es zahlreich zu diesem Erklärungsversuch lesen. Falls es tatsächlich daran gelegen wäre, hätte es meiner Meinung nach zuerst eine Stagnation geben müssen und nicht gleich einen so rapiden Abfall.
Gleichzeitig zum Abgang bisheriger Autoren kommt hinzu, dass die Zahl der Neuregistrierungen ebenfalls rückläufig ist.
Der Anteil der rückgängig gemachten Bearbeitungen (Reverts
) ist im Laufe der Zeit immer mehr gestiegen. Als Hauptgrund dafür ist wohl die Zunahme von Vandalismus zu nennen - viele dieser Reverts haben aber auch mit inhaltlichen Streitigkeiten zu tun.
Die obere Statistik zeigt die Anzahl der Löschungen von Artikeln (blaue Linie), Bildern und Sonstigem. Diese sagt für sich genommen nicht so viel aus - darunter sehen wir die Anzahl der neu angelegten Artikeln abzüglich der gelöschten Artikel (die großen Ausschläge sind durch Bot-Aktivitäten entstanden). Aus diesen Daten ergibt sich, dass ungefähr 50% der neuen Artikel gelöscht werden. Da kann man sich leicht ausrechnen, dass es sicher eine beachtliche Menge verärgerter Autoren von neuen Artikel gibt!
Lösung in Sicht?
Eine Lösung ist noch nicht in unmittelbar in Sicht. Ich teile den Weg zu einer Lösung in vier Phasen ein: 1. Problem erkennen, 2. Bewusstsein schaffen, 3. Lösung suchen und 4. Lösung umsetzen - oder Scheitern. Folglich sind wir jetzt in Phase 2 - in zahlreichen Medien (vor allem Online, aber auch Print) wird die Wikipedia-Krise bereits thematisiert. Hoffen wir auf einen positiven Ausgang (außer wir gehören zu den SEOs, die Wikipedia nicht mehr sehen können) ...
Artikel ver�ffentlicht von Thomas Graf am 19. Oktober 2007 | Tweet