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  • Über die moralischen Implikationen von Linkkauf

    Bloggergate hat eine heftige Diskussion über die moralischen Implikationen von SEO und Linkkauf ausgelöst. Dieser Artikel soll einen Beitrag zu dieser Diskussion liefern.

    Sascha Pallenberg ist mit seinem Bloggergate-Bericht genau das gelungen, was ihn viele als Absicht unterstellen. Pallenberg zog wie schon lange keiner mehr die Aufmerksamkeit von Blogosphäre und Online-Magazinen auf sich. Nebst einigen Anfeindungen gab es auch einigen Zuspruch und vor allem dutzende hochwertige Backlinks von namenhaften Websites. Aus SEO-Sicht kann man von einem perfekten Linkbait sprechen.

    Neben zahlreichen Diskussionen über seine Person und die Aktion hat Pallenberg aber auch eine ernsthafte Diskussion bezüglich der Legitimität von SEO-Methoden ausgelöst. Die wesentliche Frage ist dabei, ob Linkkauf bzw. Linkmiete moralisch vertretbar sind. Pallenberg ist der Meinung, dass guter Content ausreicht, und SEO gar nicht notwendig sei.

    Konzentriert euch auf euren Content, denn wer gute Artikel schreibt braucht weder eine SEO-Klitsche, noch muss er/sie auf solche Vermarkter zurueckgreifen, denn dann werdet ihr eure Seite vernuenftig monetarisieren koennen.

    Pallenbergs Ansichten stoßen außerhalb der SEO-Szene durchaus auch auf Zustimmung, zahlreiche idealistisch denkende Blogger stimmen ihm zu. Suchmaschinenoptimierung ist zwar bereits eine weit verbreitete Praxis, wird nach wie vor als Manipulation aufgefasst. Auch der bekannte PR-Fachmann Mirko Lange vertritt diese Meinung:

    Dass die (oder Teile der) “SEO-Industrie” (Search Engine Optimization) die Bürger regelrecht verarscht. Sie manipuliert einen großen Teil unserer Meinungsbildung. Und das perfide und arglistig. [...] Aber ich muss ganz ehrlich sagen, dass ich das, was da passiert für eine ausgemachte Schweinerei halte. [...] Die Links auf der ersten, vielleicht noch auf der zweiten Seite von Google bestimmen unsere Wirklichkeit! Und wer diese Ergebnisse manipuliert, manipuliert die Wirklichkeit der Menschen, und den Prozess einer angemessenen Meinungsbildung.

    Zuerst muss man einmal feststellen, dass SEO weder rechtlich verboten ist noch von Google grundsätzlich abgelehnt wird. Google empfielt verschiedene SEO-Maßnahmen sogar selbst, weil sie auch Besuchern und Suchmaschinen zu Gute kommen. SEO-Maßnahmen können Websites für Suchmaschinen-Crawler besser zugänglich machen und so beim Auffinden von relevanten Inhalten helfen. Die Suchmaschinen können durch bestimmte Maßnahmen zudem die Relevanz (nicht aber die Qualität!) der Inhalte besser einstufen. Andere Maßnahmen wie z.B. eine Reduktion der Ladezeiten wirken sich auch positiv auf die Usability aus.

    Umstritten ist jedoch das aktive Linkbuilding — also Maßnahmen zur Generierung von Backlinks, welche nicht von selbst ohne einen Impuls durch den SEO gesetzt werden würden. Die Google-Richtlinien verbieten Linkspam und Linkhandel, andernfalls riskiert man im Extremfall eine schlechtere Platzierung oder gar den Ausschluss aus Suchmaschinen. Dabei handelt es sich wohlgemerkt um private Richtlinien der Suchmaschine, die nicht mit Gesetzen vergleichbar sind. Linkbuilding bleibt also eine rein moralische Frage.

    Linkbuilding hat tatsächlich moralische Implikationen, dies kann man auch als SEO nicht abstreiten. Der Linkaufbau zielt auf eine bessere Position im Suchmaschinen-Ranking ab. Dies ist allerdings nicht zum allgemeinen Vorteil, denn gewissermaßen schadet es auch der Konkurrenz. Dies ist allerdings in einer Wettbwerbswirtschaft nicht wirklich verwerflich, denn wer ein besseres Produkt auf den Markt bringt macht im Prinzip das gleiche.

    Wenn die Konkurrenz aus der Betrachtung ausgenommen wird, bleibt nur noch die Auswirkung auf die Gesellschaft. Die Suchmaschinen-Rankings tragen tatsächlich zur öffentlichen Wahrnehmung bei, indem bestimmte Unternehmen / Produkte / Meinungen besser oder schlechter repräsentiert werden. Ob die Optimierung einer Website gesellschaftlich erwünscht oder unerwünscht ist, kann man unmöglich objektiv beurteilen.

    Damit ist Suchmaschinenoptimierung nicht anders zu bewerten als jede andere Form von Werbung oder Öffentlichkeitsarbeit. All diese Marketing-Formen versuchen das eigene Produkt bekannter und begehrter zu machen — auf Kosten der Konkurrenz und mit einer verzerrenden Wirkung der bisherigen Wahrnehmung. Dies ist pragmatisch gesehen nur dann verwerflich, wenn bewusst ein schlechtes Produkt beworben wird.

    Web-Unternehmen sind oft zum aktiven Linkaufbau gezwungen. Natürlich gibt es auch noch andere Linkbuilding-Methoden als Linkkauf. Aber wer auf gekaufte Links verzichtet, fällt hinter die Konkurrenz zurück, wenn sich diese keine Bedenken hat und sich dank Linkkauf absetzen kann. Neue Unternehmen haben es ohne Linkkauf überhaupt schwer, denn etablierte Websites haben oft schon ein großes Link-Kapital aufgebaut und sind anders nicht in angemessener Zeit aufzuholen.

    Die wenigsten kommerziellen Websites haben moralische Skrupel beim Linkkauf. Wenn jemand auf diese Möglichkeit verzichtet, liegt das in der Regel an fehlender Rentabilität oder der Risikoaversität der Entscheider. Die diffuse Angst vor Abstrafungen durch Suchmaschinen wird das größte Hemmnis bleiben, ansonsten wäre Linkbuilding eine ganz normale Investition wie jede andere Marketing-Kampagne.

    Äußerungen wie mit gutem Content braucht man kein SEO sind genauso richtig oder falsch wie ein gutes Produkt braucht keine Werbung. Während wir Werbung und Öffentlichkeitsarbeit innerhalb eines gewissen Rahmens akzeptiert haben (gesetzlicher Rahmen wie Verbot von Irreführung und Bestechung), ist SEO noch recht umstritten. Gerade deswegen sind derartige Diskussionen wichtig, die zur Aufklärung beitragen können.

    Es ist sinnlos, eine idealistische Diskussion über mögliche verzerrende Auswirkungen auf die öffentliche Wahrnehmung zu führen. Sattdessen ist eine Bewusstseinsbildung darüber notwendig, wie Suchmaschinen arbeiten und wie Suchmaschinen-Rankings beeinflusst werden können. Genauso wie heutzutage im Rahmen der Bildung über die Wirkungsweise von Werbung aufgeklärt wird anstatt über ein generelles Werbeverbot zu diskutieren.

    Artikel ver�ffentlicht von am 04. Februar 2011 |


    Klaus Jürgens
    07. Februar 2011 [#]
    Google ahndet Linkkauf mit schlechterem Ranking bis hin zum Ausschluß aus dem Index. Alles andere ist ein Mythos. Linkkauf nützt nur denen, die das Geld dafür bekommen. SEO ist etwas völlig anderes.
    Wir verlinken auch viele Kunden-Einträge auf unserem Portal, passend zum Kontext, aber die Links sind alle auf "nofollow" gesetzt, damit eben Google nichts daran auszusetzen hat.

    Zufällig kennen wir jemanden, der bei Google in der "Anti-Spam" Abteilung arbeitet... es ist sehr einfach für Suchmaschinen, gekaufte Links zu erkennen. Das gleiche gilt für doppelten Content. BMW z.B. ist vor ein paar Jahren aus einem ähnliche Grund bei Google aus dem Index geflogen.
    Thomas
    07. Februar 2011 [#]
    @Klaus: Die Wirkung von gekauften Links ist ganz sicher kein Mythos. Grundsätzlich können wir uns vermutlich darauf einigen, dass (vernünftige) Links einen positiven Effekt haben. Wenn Google einen Link als gekauft erkennt, werden sie natürlich zumindest den Link entwerten. Das große Problem ist aber: Google kann einfach die meisten gekauften Links nicht erkennen, wenn man es halbwegs intelligent macht (ich rede da nicht von Keyword-Links im Footer, sondern eher in Richtung Presell Pages).

    Und so lange sie einen Link nicht mit einer gewissen Konfidenz erkennen, können sie auch nicht stärker bestrafen als mit der Entwertung des Links, weil sonst die Gefahr von Kollateralschäden zu hoch ist. (Der Fall BWM hatte übrigens nichts mit gekauften Links zu tun, sondern die haben onpage Cloaking eingesetzt).

    In einem Punkt hast du aber Recht: Linkkauf ist selten das beste was ein SEO machen könnte. Wenn man sich langfristig nur über Linkkauf/Linkmiete den Erfolg erkaufen will, wird das teuer und riskant. Ein paar intelligent gekaufte Links können aber als Anschub durchaus sinnvoll sein. Aber die dürfen natürlich nicht alles bleiben, was man beim Linkbuilding erreicht.
    webSimon
    07. Februar 2011 [#]
    Wieso sucht man die Schuld bei SEOs, die eine Maschine austricksen möchten? Warum sucht man die Schuld nicht bei den Erbauern der Maschine, die sie nicht perfekt gemacht haben? Man könnte die Schuld natürlich auch bei den Anwendern suchen, die einerseits erkennen, dass sie nicht perfekt ist und dies als Grundlage nutzen, gegen SEOs zu hetzen, andererseits aber eben diese Maschine Tag für Tag nutzen und sich somit quasi selbst manipulieren.
    Thomas
    08. Februar 2011 [#]
    @Simon: Der Begriff Schuld ist in diesem Zusammenhang vielleicht ein bischen übertrieben, aber der Einfachheit halber verwende ich ihn auch mal für meine Antwort dazu. Schuldfragen sind immer komplex und man kann selten einen Alleinschuldigen ausmachen. Ich würde aber den Grad der "Schuld" von Google recht niedrig bemessen. Ich denke, dass Google bereits alles ihnen Mögliche gegen "Manipulationen" unternimmt und man ihnen nicht wirklich vorwerfen kann, dass das System auch nicht perfekt ist. Anwendern der Suchmaschinen kann man auch nicht wirklich eine Schuld zuschreiben, denn Suchmaschinen dieser Art (Google/Bing/Yahoo) sind heute unverzichtbar geworden und alle sind irgendwie gegen Manipulationen anfällig.

    Den größten Teil der Verantwortung muss schon der SEO auf sich nehmen. Er entscheidet letztendlich, wie eine Website optimiert wird. Um das mit einer Analogie zu vergleichen: Bei einem Bankraub würde niemals jemand sagen, dass der Räuber unschuldig ist, nur weil er die Sicherheitsmaßnahmen überlisten konnte. Die Bank ist nur dann mit verantwortlich, wenn sie aktuelle Sicherheitsstandards fahrlässig nicht umsetzt. Allerdings muss man explizit sagen, dass Linkkauf im Gegensatz zum Bankraub auch nicht ungesetzlich ist ;-) Wenn jemand auf Linkkauf setzen muss, um im Wettbewerb zu bestehen, ist derjenige dafür zwar verantwortlich, aber ob es verwerflich ist und er unmoralisch ist, ist eine andere Frage. Dazu gibt es ja - wie man an der Bloggergate-Diskussion sah - recht unterschiedliche Auffassungen.
    webSimon
    11. Februar 2011 [#]
    Im Grunde ist doch jeder auf seinen Vorteil bedacht. Bei einem Bankraub nimmt der Bankräuber den Kunden das Geld weg.

    Der SEO maximiert nur seinen Gewinn. Das ist nun einmal menschlich und m.M.n. nicht zu kritisieren.

    Die Kunden wollen die besten Ergebnisse, also suchen sie sich die beste Suchmaschine.

    Wenn diese beste Suchmaschine allerdings trotzdem "manipulierte" Ergebnisse liefert, warum soll dann der SEO Schuld haben?

    Rein wirtschaftlich gesehen versagt hier der Markt, entweder kommt bessere Konkurrenz oder es muss eine gesetzliche Regelung her.
    Thomas
    11. Februar 2011 [#]
    @webSimon: Ein Bankräuber nimmt üblicherweise der Bank und nicht den Kunden das Geld weg. Die Bank ist für die Sicherheit verantwortlich und muss den Verlust nach Möglich ausgleichen (gut, das war jetzt für die SEO-Diskussion nebensächlich). Man kann aber nicht sagen, dass ein SEO niemanden etwas wegnimmt. Der SEO kostet seinen Konkurrenten Traffic und damit Umsätze. Jetzt kann man es natürlich niemanden vorwerfen, dass man in einer Konkurrenzwirtschaft besser ist und grundsätzlich auf den eigenen Vorteil bedacht ist. Aber ich möchte hier nicht nur vom Konsumentenschutz sprechen, sondern auch über die wirtschaftliche Umverteilung.

    Ich selbst behaupte gar nicht, dass SEO unmoralisch ist (da würde ich mich ja auch selbst unmoralischer Praktiken bezichtigen). Aber manche Argumentationsgänge sind mir doch zu einfach. Ich sehe vor allem das Problem: wenn sich jemand ehrlich an die Google-Richtlinien hält ist er im Nachteil. Und jemand anderer, der die Regeln bricht, ist er im Vorteil. Aus Sicht der Spieltheorie ist es nur natürlich, dass jeder diesen Vorteil nutzen will. Aber andererseits: ist alles, was unser Wirtschaftssysteme und die Gesetze zulassen, auch moralisch in Ordnung? Ich sage da ganz klar nein. Das ganze ist eben das klassische Gefangenendilemma. Und deswegen akzeptiere ich auch, wenn andere die Moralität von Linkkauf in Frage stellen.

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